Ein guter Kompromiss aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht.
Kein Zweifel, die Welt ist über die Jahre immer komplexer geworden. Alle unsere Aktionen haben eine immer grössere Reichweite, erreichen immer mehr andere Menschen und erfolgen in immer höherem Tempo. Überraschenderweise hat dies aber nicht zur Folge, dass sich unserer Meinungen immer mehr angleichen, nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Die Meinungsvielfalt war noch nie so gross und war gleichzeitig noch nie einem so intensiven Wandel unterworfen.
Angesichts dieser Vielfalt von Ansichten, kann heute nicht
mehr erwartet werden, dass sich die wirklich wichtigen Gesellschaftsfragen mit eindimensionalem
Schwarz-Weiss-Denken beantworten lassen. Zudem dürfen wir von Lösungen auf
solche Fragen kaum mehr erwarten, dass diese für die Ewigkeit Bestand haben. Um
unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und in einem von den meisten Menschen als
positiv empfundenen Sinn voranzubringen, ist mehr denn je gut fundiertes und schliesslich
pragmatisches Vorgehen von Nöten.
In der Abstimmung zur AHV-Steuervorlage vom 19. Mai befinden
wir als Schweizer Stimmbürger über einen Themenkomplex, der beispielhaft ist für
das oben angetönte benötigte Mass an Kreativität und Pragmatismus, um aus verfahrenen
Situationen herauszukommen.
Damit wir den Werkplatz Schweiz sichern können, kommen wir
nicht umhin, unser Steuerregime für Firmen auf einen international akzeptierten
Stand zu bringen. Ansonsten riskieren wir – in welchem Ausmass auch immer -,
dass wichtige Firmen ihre Aktivitäten in andere Länder verlagern und
Arbeitsstellen und Steuersubstrat in der Schweiz verloren gehen. Beim ersten
Versuch diese Herausforderung zu lösen, sind wir mit der USRIII Vorlage im
Februar 2017 noch gescheitert, da die Vorschläge von einer Mehrheit der Stimmbürger
als zu wirtschaftsfreundlich und zu wenig sozial verträglich beurteilt wurden.
Sinnvollerweise hat man deshalb versucht, die Vorlage gerade in diesen
Bereichen zu verbessern. Während der Kern der Vorlage – die Abschaffung von
international verpönten Steuerprivilegien – Kern der Vorlage bleibt, hat man
mit der Einführung von diversen Massnahmen versucht, den Forschungsplatz
Schweiz zu stärken. Dank der Erhöhung der Dividendenbesteuerung und der Einführung
einer Entlastungsbegrenzung bleibt die Vorlage aber fair und ausgeglichen. Mit der Erhöhung des Kantonsanteils an der
direkten Bundessteuer werden zudem die Lasten angemessener zwischen den Staatsebenen
verteilt.
Unbestrittenermassen steht die Schweiz auch vor der Herausforderung
die Finanzierung der Altersvorsorge auf solidere Beine zu stellen. Der letzte
Versuch, dies zu erreichen, ist aber in der Abstimmung vom September 2017 knapp
vor dem Volk gescheitert.
Schon heute zahlt die AHV über eine Milliarde Franken mehr aus als Sie einnimmt,
und die Babyboomer-Generation geht erst in den nächsten Jahren in Pension. Mit
den in der Vorlage vorgesehenen zwei Milliarden Franken zugunsten der AHV sind
die strukturellen Probleme der Altersvorsorge zwar noch nicht gelöst, aber die
Situation wird doch wesentlich entschärft. Es bleibt damit mehr Zeit, eine längerfristige
und solidere Lösung zu finden – immer noch eine Herkulesaufgabe, welche aber dank
neu kleineren Lücken einfacher zu lösen ist.
In der AHV-Steuervorlage wurden nun beide Anliegen pragmatisch
miteinander kombiniert. Um den sozialen Anliegen mehr entgegenzukommen wurde die
Unternehmenssteuerreform mit einem Sanierungspaket für die AHV ergänzt. Damit ist
die Gesamtvorlage ein Paradebeispiel dafür, wie man eine verfahrene Situation einer
Lösung zuführen kann, die für eine Mehrheit der Bevölkerung akzeptabel ist. Diese
Reformvorlage ist ein fairer Kompromiss, der sowohl wirtschaftliche als auch
soziale Interessen unter einen Hut bringt. Ein Ja zu dieser Vorlage bringt die
Schweiz in zwei wichtigen Bereichen wirklich weiter.